Die Ausgrabung des Kirchenschiffs

Das Windsheimer Kloster der Augustiner-Eremiten wurde 1291 von Albrecht Gailing zu Ilesheim-Röllingshausen gestiftet und 1295 geweiht. Es lag, wie die meisten Bettelordensklöster, am Stadtrand, mit der Stadt zugewandter Kirche und mit den Konventsbauten abgeschirmt an der Stadtmauer (Abb. 1).

Die Stifterfamilie verlor offenbar früh ihren Einfluss, denn der Unterhalt des Konvents wurde bald hauptsächlich durch Zustiftungen Windsheimer Bürger aufgebracht. Allerdings war die wirtschaftliche Basis der Stadt für das Kloster zu schwach. Selbst während der wirtschaftlichen Blüte der Stadt zwischen 1400 und 1430 umfasste der Konvent nur neun Brüder, war aber in der Lage, den Neubau des Chores in spätgotischer Form durchzuführen. In den Jahrzehnten danach verfiel die Klosterzucht und erforderte mehrmaliges hartes Einschreiten des Ordensprovinzials. 1523 waren im Kloster nur noch der Prior und zwei Mönche verblieben, die sich der Reformation zuwandten. Der Rat stellte daher 1525 das Kloster unter seine Verwaltung.

Die verlassenen Klostergebäude wurden zunächst als Krankensaal und Brauerei genutzt. Um 1592 brach man das Langhaus ab und baute den Chor zur heute noch in ihrer historischen Form bestehenden Ratsbibliothek um. Die Konventsgebäude wurden wohl nochmals instandgesetzt und bestanden bis 1713. Der Bereich des Langhauses, der heutige Klosterplatz, blieb unbebaut.

Im Zuge der Bad Windsheimer Innenstadtsanierung waren auch die Neugestaltung des Klosterplatzes und des anschließenden Schüsselmarktes geplant. Daher fanden bereits 2002 Grabungen vor der Chorwestwand und an der Südseite des Chores statt, sowie eine kleine Sondage im vermuteten Verlauf der Westmauer des Kirchenschiffes. Die freigelegten Befunde zeigten, dass Mauern und sogar Partien des Kirchenbodens erhalten waren. Für den neuen Straßenbelag am Klosterplatz war eine Auskofferung von 0,8m notwendig, durch die noch unter dem Straßenpflaster erhaltenen Reste der Kirche zerstört worden wären. Im Februar 2009 wurde der Bereich daher vollständig archäologisch ausgegraben.

Abbildung 1: Die Radierung von Georg Wechter d. Ä. aus dem Jahr 1576 zeigt die einzige bekannte Abbildung der Klosterkirche
Abbildung 2: Klosterkirche Bad Windsheim, Grundriss: 1: Chor, 15. Jh., 2: Fundament Treppenturm, 3: Lettner, 4: Altar; 5: Grabplatte mit Wappen, 6: Grabplatte mit Kelch, 7: Postament, 8: Wohl Fundament eines Seitenaltars, 9: Grube mit Bauspolien, 10: Knochennest, 11: nachkirchenzeitliche Befunde. Hellgrau: Gipssteinplatten, Grün: Schilfsandstein, Rot: roter Sandstein

Bei den Grabungen wurden die West- und Südwandfundamente der Kirche aufgedeckt (Abb. 2). Die Fundamente der Nordseite waren durch moderne Überbauung zerstört. Spuren eines Zugangs zum Kirchenschiff waren nicht erhalten, doch ist er im Westen, zur Stadt hin zu vermuten.

Die Kirche war 52m lang und ca. 16,5m breit. Das 35m lange Kirchenschiff war ein einfacher Saalbau, der im aufgehenden aus sehr sorgfältig bearbeiteten Schilfsandsteinquadern bestand, während die bis auf den gewachsenen Fels reichenden Fundamente aus stabileren Gipssteinen erbaut waren. An der südlichen Verbindungsstelle zwischen Kirchenschiff und Chor lag ein flächiges Gipssteinfundament wohl eines Treppenturms (Abb. 2, 2).

Bei der Erneuerung des Mönchschores in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts erfolgten auch Umbauten im Kirchenschiff. So entstand ein auf vier in gleichmäßigem Abstand gesetzten Punktfundamenten gegründeter Lettner vor der Ostwand des Kirchenschiffs (Abb. 2, 3). Vor ihm wurde, etwas nördlich aus der Mittelachse verschoben, ein 1,5m x 1,1m großer Altar errichtet (Abb. 2, 4). Bodeneingriffe entlang der Langhausmauern lassen vermuten, dass auch das Kirchenschiff renoviert wurde.

Im Inneren der Kirche waren noch größere zusammenhängende Flächen des Fußbodens aus Gipssteinplatten in sauberer, fugendichter Verlegung erhaltenen, in den stellenweise Grabplatten aus Gipsstein, rotem Sandstein und Schilfsandstein eingepasst waren (Abb. 2, 5- 6). Von der architektonischen Ausschmückung des Kirchenraums verblieb ein würfelförmiges Postament mit abgeschrägten Ecken und dem Ansatz einer achteckigen Säule in Situ (Abb. 2, 3; Abb. 3).

Das Kirchenschiff war ein begehrter Bestattungsort der Windsheimer Bürger, und so fanden sich hier viele Bestattungen vom Säugling bis zum Greis. Der dicht belegte Platz im Bereich vor dem Lettner war offenbar besonders begehrt. Die Toten waren in Leichentüchern oder offenen Holzkisten beigesetzt worden, von denen einige mit sehr grob gebranntem Kalk überschüttet worden waren. Dadurch ergab sich in einem Fall ein präziser Abdruck des Sarges und des mit einem Tuch bedeckten Leichnams, der sogar noch das Webmuster des Leichentuches erkennen ließ.

Die erhaltenen Grabplatten waren in der Regel schmucklos und ohne Inschrift. In einem Fall war mit einfachen Linien ein Wappen in Form einer Bartaxt eingeritzt, in einem zweiten der Kelch eines Priesters. Aufwändigere Platten sollen, archivalischen Angaben zufolge, vor dem Abbruch in die nahegelegene Stadtkirche verbracht worden sein. Eine dieser Platten blieb jedoch am Ort (Abb. 2, 6; Abb. 4; 8). Auf ihr sind im erhaben herausgearbeiteten Rahmen zwei Wappenschilde in Form von Renntartschen des ausgehenden 15.Jahrhunderts zu sehen. Der obere Schild zeigt ein Messersech mit der Schneide nach oben, der untere eine senkrecht nach oben gerichtete Pflugschar. Die Besitzer der Wappen sind heute nicht mehr zu ermitteln. Vielleicht war die wohl aus der turnierfähigen Oberschicht der Stadt entstammende Familie zur Zeit des Abbruchs bereits erloschen. Die Vertiefungen zwischen den Wappenschilden waren sekundär mit grobem Gipsmörtel aufgefüllt, möglicherweise zur Entschärfung einer „Stolperfalle“.

Die Nutzung des Kirchenschiffs nach 1525 hinterließ kaum archäologisch relevanten Niederschlag, denn zwischen den erhaltenen Bodenplatten und dem Unterbau des modernen Pflasters lagen oft nur wenige Zentimeter.

Abbildung 3: Postament einer achteckigen Säule

Im westlichen Kirchenschiff lagen größere rechteckige Flächen ohne Steinbelag. Einige schmale Gräbchen deuten hier auf Lagerhölzer eines ehemaligen, vielleicht erst nach der Auflassung der Kirche eingebauten Holzbodens hin. Dazu fanden sich auf den erhaltenen Steinplatten vereinzelt Mörtelreste und, nördlich an die erhaltene Bodenfläche anschließend, Spuren einer gipsvermörtelten schmalen Wand. Weiter nach Norden schließen auffällig rechteckig begrenzte Planierungen an, die, analog zu älteren Befunden im Krankensaal des Spitals, kleine abgeteilte Krankenstuben oder andere Einbauten andeuten (Abb. 2, 11).

Eine ca. 0,7m x 1,2 m große rechteckige Grube nahe der Westwand in der Mittelachse des Kirchenschiffs fiel durch ihre Einfassung aus hochkant gestellten Gipssteinplatten des ehemaligen Kirchenbodens auf (Abb. 2, 9). Mit ihnen hatte man einen unbekannten Gegenstand verkeilt, vielleicht ein beim Abbruch verwendetes Hebezeug. Nach seiner Entfernung wurde die Grube mit Abbruchschutt, darunter auch Bauplastikfragmenten, verfüllt. Ein kurzes Stück einer gewundenen Säule, zwei stark verwitterte kleine Gesimsfragmente aus rotem Sandstein und ein ebenso stark verwittertes Maßwerkfragment aus grünem Schilfsandstein sind die einzigen Reste der ehemaligen Bauzier.

Abbildung 4: Reste des Kirchenbodens mit Altarfundament (4) und Grabplatten nach Osten

In der Südwestecke des Kirchenschiffs lag ein Knochennest mit den Gebeinen mehrerer Individuen (Abb. 2, 10; Abb. 5). Im oberen Bereich waren Langknochen, Rippen, Becken sowie einzelne Unterkiefer geschichtet, darunter lagen mehrere nebeneinander angeordnete Schädel. Auch Tierknochen waren eingestreut. Da die Grube durch die Abbruchschichten gegraben worden war, entstand die Deponierung wohl während der Ausschachtungen für die jüngeren Gewölbekeller unter dem Platz.

Unter dem Bauhorizont der Kirche fanden sich im Westen Spuren einer vorklösterlichen Besiedlung des Platzes. Mehrere Pfosten und ein Kellerhals, dessen Südwange, ein Mäuerchen aus Gipssteinen in ockerfarbenem Lehm, noch erhalten war, ließen sich ins 12. Jahrhundert datieren. Weiter östlich deutete ein stark gestörter Fundamentrest einen größeren Steinbau an. Die Gebäude brannten während eines Feuers in der Mitte des 13. Jahrhunderts nieder, das auch an anderen Stellen der Stadt nachgewiesen ist. Ob vor dem Bau der Kirche noch eine Neubesiedlung des verödeten Platzes erfolgte, ist aus den spärlichen Befunden nicht abzuleiten.

Abbildung 5: Knochennest in der Südwestecke des Kirchenschiffs und Grabplatten nach Osten

Wie bei Kirchengrabungen häufig, gab es auch auf dem Klosterplatz nicht sehr viele Kleinfunde. In den Abbruchschichten fiel ein hoher Anteil von zerhackten Tierknochen auf, dazu zylindergeblasenes grünes Waldglas und Fragmente von weißen bis leicht violetten Butzenscheiben der Kirchenfenster. Die Keramik der Abbruchschichten stammt meist aus dem 16. Jahrhundert, die Fragmente aus bauzeitlichen Schichten passen zum überlieferten Gründungsdatum um 1300 und die ältesten Schichten enthielten Scherben des 12. und 13. Jahrhunderts.

Aus dem sakralen Bereich stammen zwei Bruchstücke von Paternosterringen aus Bein. Zwei Riemenbeschläge aus Buntmetall, darunter ein Stück mit einer eingepunzten römischen XII, könnten von Gebetbüchern stammen. Das Fragment einer Pilgermuschel verweist darauf, dass die Mönche auch Wallfahrern auf dem Weg nach Santiago de Compostella Herberge gewährten (Abb. 6).

Singulär ist eine etwa 40cm große Schale aus grauer Keramik (Abb. 7).Sie war nach innen mit wohl mehreren konzentrischen Ringen versehen, an denen und dazwischen kleine Tüllen angarniert waren. Rußspuren an den Mündungen dieser Tüllen zeigen, dass hier Kerzen aufgesteckt wurden oder Dochte brannten. Mit einer solchen Schale konnten vor einem Gnadenbild viele Kerzen entzündet werden und gleichzeitig das herabtropfende Wachs aufgefangen werden.

Die Grabung erbrachte weiter 16 mittelalterliche Silbermünzen, zumeist aus dem Bereich der Bodenplatten. Der Großteil der Münzen datiert aus der ersten und zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und wurde in Bamberg, Nürnberg, Neustadt a. d. Aisch, der Oberpfalz und Augsburg geschlagen. Eine Münze des 14. Jahrhunderts stammt aus Erfurt. (Bestimmung: Univ.-Prof. Dr. Hubert Emmerig, Institut für Numismatik und Geldgeschichte der Universität Wien).

Abbildung 6: Fragment einer Pilgermuschel mit ausgebrochener Durchbohrung rechts oben

Dank frühzeitiger Planung und Unterstützung durch die örtlichen Behörden war die vollständige Dokumentation des Schiffs der Windsheimer Klosterkirche möglich. Das ausgegrabene Lanhghaus wurde durch Aufnahmen mit dem Laserscanner dokumentiert, somit können die abgetragenen Bauteile auch zukünftig dreidimensional betrachtet und untersucht werden (Abb. 8). Bei der Neugestaltung des Platzes berücksichtigte man die Grabungsbefunde wie Westwand, Bodenplatten und Lettner und empfand sie in moderner Formsprache nach. Der Mauerverlauf ist durch einen besonderen Straßenbelag hervorgehoben und Informationstafeln informieren zu Geschichte und Archäologie dieses Ortes. Die zu ihrer Zeit wohl größte Kirche Windsheims ist damit im heutigen Stadtbild wieder erlebbar geworden.


Autor: Wolfgang Steger

Abbildung 8: Partie des Kirchenbodens, Screenshot des 3D-Laserscans
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Der Klosterchor