Die Bibliothek wurde im Jahr 1559 vom Rat der Reichsstadt Windsheim auf eine Bittschrift ihrer Geistlichen und Lehrer zu einer „kleinen, ange-messenen Liberey“ gegründet, „darin man die wichtigsten und bewährtesten Bücher zur Hand haben möge“ und die außer ihnen auch diejenigen, „die aus der Bürgerschaft zum Studieren Lust haben, gebrauchen“ können sollten, eine öffentliche, grundsätzlich jedermann zugängliche, universal ausgerichtete Bibliothek.
Eingerichtet zuerst in einer „unteren Stube“ des hier 1291 gestifteten, 1525 aufgelösten und mit allen Besitzungen der Stadt übereigneten Klosters der Augustiner-Eremiten und 1573 in die neue Lateinschule verlagert, erhielt die Bibliothek ab 1615 ihr eigenes Gebäude. Dazu wurde der vom Kirchenschiff getrennte Chor mit einer westlichen Abschlusswand, neuem Dachstuhl, Einzug eines Zwischenbodens und Anbau eines Fachwerk-Treppenturms von 1616 so grundlegend umgestaltet, wie er sich als einzig erhaltener baulicher Rest des Klosters noch heute präsentiert. Mit Recht damals als „neuer Bau“ bezeichnet, ist er somit auch anzusehen als bemerkenswertes frühes Beispiel eines selbständigen Bibliothekszweckbaus, zudem mit seit 400 Jahren unveränderter Nutzung
Hier befindet sich seither die zuvor ehrenamtlich, ab 1624 erstmals durch einen formell
beauftragten, besoldeten nebenamtlichen Bibliothe-kar, anfangs ein Pfarrer, ab 1679 der Rektor
des Gymnasiums, betreute Bibliothek, nun auch vereint mit den noch erhaltenen 166 Bänden der
ehemaligen „Liberey“ der Augustiner-Eremiten, in ihrem aus Anlass der ersten Hundertjahrfeier
der Reformation gestalteten Gebäude in diesem repräsentativen Bibliothekssaal, samt original
erhaltener Einrichtung mit kunstvoller Eingangstür von 1617 und mächtigen freistehenden
Bücher-Repositorien und Wandregalen aus dem 17. und 18. Jahrhundert, während der Raum 1740/41
eine massive Gewölbedecke sowie eine veränderte westliche Fensterfront erhielt.
Nach Anschaffung eines ersten Grundstocks von 150 Büchern 1559/60 verlief die Vermehrung der
Bibliothek eher sporadisch durch Ankauf und Schenkung einzelner Bücher oder gelegentlich auch
privater Sammlungen und kam nach dem Ende der Reichsstadtzeit Windsheims 1802 durch den Wegfall
aller Mittel und den raschen Rückgang der Schenkungstätigkeit bald zum völligen Stillstand.
So zählt sie heute wie schon ähnlich im 19. Jahrhundert 5360 Bände, darunter 130 Handschriften
(ab dem 12. Jahrhundert) und 113 Inkunabeln (Wiegendrucke), während die übrigen Bestände mit
Drucken des 16. bis 18. und nur wenigen des 19. Jahrhunderts einen Querschnitt durch fast alle
Wissensgebiete aus mehr als drei Jahrhunderten bieten.
Die Stadtbibliothek Bad Windsheim steht nach wie vor der Forschung zur Verfügung, erfüllt aber
zugleich museale Aufgaben als außergewöhnliches Baudenkmal und stadtgeschichtlich wie kultur-
und bibliotheksgeschichtlich bedeutsame Sammlung, als Schatzkammer und Stätte geistiger
Tradition und Regsamkeit vergangener Zeiten - ganz wie man es bei der Gründung im Jahr 1559 für
sich und alle künftigen Generationen erhofft hatte: ein „Schatz und edles Kleinod“.
Autor: Michael Schlosser