Der Klosterchor

"Klosterchor"
des ehemaligen
Augustinerklosters

Nur wenige Jahre nach der Reichsstadtwerdung im späten 13. Jahrhundert wird in Windsheim ein erstes Kloster gegründet - es bleibt das Einzige. Die Augustiner-Eremiten, die sich in der Stadt niederlassen, gehören wie die Franziskaner und Dominikaner zu den Bettel- und Predigerorden, die sich im 13. Jahrhundert in den vielen, aufblühenden Städten ansiedeln. Doch ist nicht das Stadtregiment selbst für die Gründung des Klosters verantwortlich, sondern die auf der längst untergegangenen Wasserburg Röllinghausen im nahen Illesheim sitzende Adelsfamilie Gailing, aus der auch der berühmt-berüchtigte Raubritter Eppelein von Gailingen stammt. Zwar hat sich keine Gründungsurkunde erhalten, doch spätere Chroniken berichten überzeugend davon, dass 1291 ein Albrecht von Gailing das Kloster gestiftet hat, dessen Kirche schon 1295 geweiht wurde.

Im Scheitel des 1742 eingezogenen Gewölbes im Erdgeschoß eingesetzter Kopf, Spolie
Eine seltene Dar stellung der gesamten Augustinerkirche (mit Dachreiter) auf der Stadtansicht von Nicolaus Scheller 1576, farbig hervorgehoben (Ausschnitt)

Spärliche Klosterspuren

Das Kloster war nicht reich mit Grundbesitz und Pfründen ausgestattet, hatte zu seinen besten Zeiten im frühen 15. Jahrhundert gerade einmal neun Mönche und einen Prior. 1525, als das Kloster aufgelöst wurde, was offenbar nicht nur an den aufkommenden Reformationswirren, sondern auch an inneren Problemen lag, waren es gerade noch drei Mönche. Der gesamte Besitz, über den uns ein damals verfasstes „Inventarium” wenigstens annähernd informiert, mit allen Gebäuden und ihrer Ausstattung, fiel damals an die Stadt, darunter auch die umfangreiche Klosterbibliothek, die zusammen mit der heutigen eindrucksvollen historischen Stadtbibliothek im später extra dazu geschaffenen Obergeschoß innerhalb des einstigen Klosterchors, eine Einheit bildet.

Das Klosterareal lag im Nordosten der inneren Stadt und reichte vom Schüsselmarkt im Westen bis zur östlichen Mauer der älteren Stadtumwehrung. Es umfasste neben der Kirche mit der sagrer [Sakristei] einen wohl nördlich anschließenden Kreuzgang mit einem schlafhaus, dann kuchin [Küche], conventsstuben, priors stublin und viele Kammern, sowie Wirtschaftsbauten, wie kalterhaus, Weinhaus, Keller, Scheune - es dürften weitere ungenannte Gebäulichkeiten dazugekommen sein. Die inmitten des früher mit Obstbäumen bepflanzten Klostergartens im Katasterplan von 1828 eingezeichnete, später sogenannte „Klosterscheune” gehörte nicht dazu - sie war erst 1713 als städtisches „Garten- oder Lusthaus” mit einer Sommerstube erbaut und nach 1906 abgebrochen worden.

Daten & Fakten
  • ~1400 Hauptbauphase
  • 1616 a, i, d Umbau Bibliothek
  • 1739 / 40 a Gewölbeeinbau
  •  
  • Ehemalige Gesamtlänge: 52 m
  • Chor: 17 m lang auf 11 m breit
Rekonstruktion der Klosteranlage
Die Klosteranlage,
Rekonstruktionsversuch

Schwarz umrandet: vermutliches Klosterareal

Rot: der erhaltene Chor der Klosterkirche, oben links vermutlich grosses Klosterhaus von 1459, jetzt privat

Hellrot: weitere nicht erhaltene Gebäude

Grün: das 1713 errichtete Lusthaus

unterlegt der entsprechende Ausschnitt des Urkatasters von 1828

Eine genauere Vorstellung der gesamten Klosteranlage können wir uns leider nicht mehr machen, da von 1525 bis 1713 in einem langen Prozess das Langhaus und Stück um Stück die übrigen Klosterbauten abgebrochen, zwischengenutzt - u.a. richtet die Stadt 1589 hier eine Brauerei ein, die mindestens bis 1630 in Betrieb war -, umgestaltet und die freigewordenen Flächen neu bebaut wurden. Von dem Kloster hat sich als Torso nur der einstige Chor der Klosterkirche bis heute erhalten, und auch der nur dank seiner Umnutzung als Bibliothek der Stadt, wozu umfangreiche Umbauten erfolgten. In die Kloster-zeit geht auch das 1562 genannte große Klosterhaus zurück, das auf dem heutigen Anwesen Schüsselmarkt 4 vermutet wird, ein zweigeschoßiger Fachwerkbau, datiert im Kern auf 1459 d Die einstige Klosterkirche entsprach von der Gesamtlänge mit 52 Metern her fast der großen Stadtpfarrkirche St. Kilian (58 Meter). Davon nahm das ab 1594 abgebrochene Langhaus - Teile davon scheinen noch länger gestanden zu haben - allein 35 Meter bei gut 16 Metern Breite ein! Davon hat sich oberirdisch nichts erhalten, die einstige Stelle des Langhauses blieb unbebaut und bildet den heutigen Klosterplatz.

Grundriss des Klosterchors
Schematischer Grundriss 1:400 der einstigen Klosterkirche mit Einzeichnung der ergrabenen Fundamentsteine für die Lettnerarkaden und die Langhaus-wände. Die einstige Nordwand heute überbaut.
Grundlage Grabungsdokumentation von Wolfgang Steeger (2009)
Die Jahreszahl 1291 über der Tür des Westgiebels stammt sicher erst aus dem 19. Jahrhundert, als auch das äußere Türgewände neu mit Spitzbogen eingesetzt wurde (Foto 2018).

2002 und 2009 wurde dort nach Spuren des einstigen Klosterlanghauses archäologisch gesucht und so die einstigen, sich aus dem Platz ergebenden Abmessungen bestätigt, leider tauchten aber nur wenige Baubefunde auf, aus denen sich weitere Baudetails und das Alter des Langhauses zweifelsfrei erschließen ließen. Insbesondere gab es keine klaren Hinweise auf Mehrschiffigkeit, die man bei der Breite durchaus erwarten könnte - oder stammt die gefundene achteckige Säulenbasis von der Abtrennung eines Seitenschiffs? Da ein Gewölbe auszuschließen ist, müsste bei einem stützenlosen Saal eine gewölbte oder eine flache hölzerne Decke vorhanden gewesen sein, was bei der Breite nur mit einem Hängewerk ähnlich dem Langhaus der Spitalkirche möglich gewesen wäre. Das wiederum würde eher für eine Bau- bzw. Umbauzeit um bis kurz nach 1400 sprechen.

Am Ostende des Langhauses, zum Chor zu, fanden sich Hinweise anhand der Fundamente von vier Säulen auf einen Lettner, der sich offenbar in fünf Arkadenbögen zwischen Schiff und Chor schob. Ein solcher fünfjochiger Lettner hat sich bis heute in der Franziskanerkirche in Rothenburg erhalten, also ebenfalls in einer Bettelordenskirche.

Autor: Konrad Bedal

Der einstige
Klosterchor

In den meisten älteren Be-schreibungen Windsheims wird unkritisch das Alter die-ses Chors mit der Klostergründung 1291 gleichgesetzt. Schließlich steht diese Jahreszahl ja sogar über der spitzbo-gigen Eingangstür! Dass sie dort nicht „original”, ist, son-dern erst später angebracht wurde, wird freilich schnell klar, wenn man weiß, dass diese Giebelwand mit der Tür erst mit dem Abbruch des Langhauses entstanden sein kann, als man den ehemaligen Chor nach Westen zu mit einer neuen Mauer schließen musste. Die Baunaht ist deutlich innen und außen zu erkennen.

Nische im chor: vermutlich eine „Gerätenische” mit strengem Drei- und Vierpaß-Maßwerk
Maßwerk über der breiten Nische in der Südwand, möglicherweise für ein „Heiliges Grab”

Die anlässlich der bevorstehenden Sanierung erfolgte genauere Bauuntersuchung 2017-18 hat die Zweifel am Baualter 1291 bestätigt und gleichzeitig etwas mehr Klarheit in die Baugeschichte gebracht. Aus der Gründungszeit könnten - aber auch das ist nicht sicher - lediglich Teile des Quader-Mauerwerks bis zu einer Höhe von etwa zwei Metern stammen, die sich an der Nordwand im Innern und sogar im kleineren Umfang am Sockel außen deutlich vom übrigen Quaderwerk aus dunkelrotem Keupersandstein unterscheiden: es sind exakt rechteckig behauene Gipsquader, die mit faszinierender Exaktheit, mit minimalster Fuge, aufeinandergesetzt sind. Auch an der Südwand findet sich noch ein größerer Rest dieses grauweißen, fast expressiv gebänderten Gipssteinmauerung.

Der größte Teil der Sand-steinquadermauern mit dem dreiseitig geschlossenen Chor muss jedenfalls einer späteren Bauphase angehören - aber wann war diese, vielleicht noch im 14. Jahrhundert? Ein Vergleich mit den anderen Windsheimer Sakralbauten, insbesondere den Formen der spitzbogigen Chorfenster, lässt Verwandtschaft mit der sogenannten Seekapelle und der Spitalkirche erkennen. Beide sind, durch Dendrodaten nachgewiesen, zu Beginn des 15. Jahrhunderts gebaut worden, die Seekapelle 1401, die Spitalkirche 1416-21. Es spricht viel dafür, dass auch der Klosterchor in der Hauptsache in dieser Zeitspanne entstanden ist und auch das heute verschwundene Langhaus damals zumindest stark erneuert wurde. Das würde auch gut zu den „Wirtschaftsdaten” des Klosters passen: denn gerade zwischen 1400 und 1420 werden dem Kloster die meisten Dotationen (Schenkungen) vermacht, die Finanzkraft war in dieser Zeit besonders hoch.

Fein gearbeitete, leider z. T. stark gestörte Profile, Krabben, Kreuzblumen und variantenreiches Blendmaßwerk im Innern, an Sakristei tür, Sakristeinischen und einer breiten Nische zum Sitzen (Sediliennische) - oder ist es die Nische mit Bank für ein Heiliges Grab? - unterstreichen den einstigen künstlerischen Anspruch des Chorbaus.

Der Klosterchor von Osten (Foto 2018)

Einer weiteren, wohl nur wenige Jahrzehnte jüngeren Bauphase entstammt die in der Südostecke des Chorpolygons eindeutig nachträglich eingebrochene spitzbogige und reich profilierte Tür. Sie führte einst, wie Archivalien nahelegen, in die hier angebaute, 1428 gestiftete Heiligkreuz- bzw. Stephanuskapelle, von der sich sonst keine baulichen Spuren erhalten haben. Im Umkehrschluss ergäbe sich daraus, dass das umgebende Mauerwerk älter als 1428 sein muss.

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