In Memoriam
Michael Schlosser

Fast vier Jahrzehnte lang hat sich der gebürtige Niedersachse intensiv mit der Historie der ehemals Freien Reichsstadt Windsheim befasst – und dabei durch sein Wirken als erster hauptamtlicher Archivar der Stadt selbst ein weiteres Kapitel in deren langjähriger Geschichte geschrieben.

Im Oktober 1954 in Vechta geboren, kam Michael Schlosser schon als Kind dank des Bücherbestands seines Vaters intensiv mit dem geschriebenen Wort in Berührung.

Sein beruflicher Werdegang war da nur folgerichtig: Von 1975 bis 1978 durchlief Schlosser am Bibliothekar-Lehrinstitut in Hannover die Ausbildung zum Diplom-Bibliothekar für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken. Das Praktikumsjahr führte ihn dabei an die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, wegen ihrer historischen Buchbestände neben der Bayerischen Staatsbibliothek München eine der namhaftesten deutschen Bibliotheken. Dort absolvierte Schlosser auch die ersten Berufsjahre, bevor er zum 1. Oktober 1980 als erster hauptamtlicher Stadtarchivar und Stadtbibliothekar nach Bad Windsheim kam und hier auch sein ganz privates Glück fand.

Michael Schlosser

Zu Schlossers wichtigsten Tätigkeiten in Bad Windsheim zählte der Umzug des gesamten Archivbestands 1985/86 aus dem Rathaus an den Klosterplatz und die komplette Einrichtung dort verbunden mit einer grundlegenden neuen Ordnung sowie die vollständige und detaillierte Neu-Erfassung sämtlicher Bestände in Stadtarchiv und Stadtbibliothek mit insgesamt 31.300 Bänden und Archivalien-Einheiten in über 900 laufenden Metern. Zudem wurden unter seiner Leitung über 540 Bände aus der Bibliothek und 310 Bände im Archiv aufwendig einzeln restauriert. Gefragt und geschätzt waren auch die Führungen durch die historische Stadtbibliothek, welche Schlosser anbot.



Neben zwei Postkarten-Bänden und der Festschrift „700 Jahre Stadt“ mit alten Stadtansichten veröffentlichte Michael Schlosser mehrere Fachaufsätze und Beiträge für die wichtigsten einschlägigen Handbücher. 1997 gab er einen wissenschaftlichen Katalog der ältesten und wertvollsten gedruckten Bücher aus der Gutenberg-Zeit in der historischen Stadtbibliothek von Bad Windsheim heraus. Posthum erschien Ende 2020 im Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte seine umfassende Abhandlung „Bibliotheca Winshemensis. Die Bibliothek der Reichsstadt Windsheim von der Gründung 1559 bis 1624“. Den zweiten Teil zu dieser geschichtlichen Darstellung bildet die Edition des Verzeichnisses von 1596/1616 als moderner wissenschaftlicher Katalog einschließlich bibliographischer Angaben und der üblichen Register sowie genauer Beschreibung der exemplarspezifischen Besonderheiten bis hin zu sonstigen besonderen Anmerkungen zum Exemplar oder zur Bestandsgeschichte. Nicht zuletzt stammen von Michael Schlosser weit über 160 Beiträge in der Windsheimer Zeitung.



Eine „erfüllende Zeit“ habe er mit seinem beruflichen Wirken in der Kurstadt erlebt, hatte Michael Schlosser nach dem Ende seiner Zeit als Archivar bilanziert, weil er nicht nur verwaltet sondern auch geforscht und publiziert habe.



38 Jahre und zehn Monate lang war er als Stadtarchivar tätig. Nicht einmal ein Jahr nach seinem Eintritt in den Ruhestand ist Michael Schlosser einer schweren Krankheit erlegen. Er starb am 25. Mai 2020 im Alter von 65 Jahren. Die angestrebte Sanierung des Chorraums des Augustinerklosters, in dessen Obergeschoss die Stadtbibliothek von 1559 eingerichtet ist, durfte Michael Schlosser leider nicht mehr erleben.


Text von Günther Blank